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11
Jun

Böhmische Spezialitäten: Die Otava

Was für den Gourmet Knödel mit Kraut und Schweinefleisch und ein gutes tschechisches Bier ist, sind für uns Kanuten die schönen Bäche im Böhmerwald des grenznahen Bereiches zu Deutschland und Östereich.

Nach dem Fall des eisernen Vorhangs ist es jetzt möglich, diesen in seiner Ursprünglichkeit erhaltenen Landstrich kennenzulernen. Erst 1991 wurde der in großen Teilen ehemalige militärische Sperrbezirk auf Anordnung der Tschechischen Republik zum Nationalpark erklärt. Die Aufgabe des Parks besteht in der Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Umwelt, insbesondere im Schutz bzw. der Erneuerung der Selbstregulierungsfunktionen der Natursysteme. Die Gesamtfläche des Parks beträgt 685 qkm. Sie umfaßt Gebiete mit ausgedehnten Nadel- und Mischwaldbeständen und einer Vielzahl naturwissenschaftlich einzigartiger Hochmoore. Das Gebiet ist nur spärlich besiedelt.

Seit einiger Zeit durchstreifen einige Rudel Wölfe das Gebiet bei Modrava, außerdem soll an der Grenze zu Österreich eine kleine Elchpopulation leben. Noch ist es jedoch nicht so weit, das sich Wölfe dauerhaft hier etablieren. Aber in 5 oder 10 Jahren könnte diese Fiktion Realität werden, wenn der derzeit in der Slowakei zu beobachtende Trend anhält. Aus den Quellgebieten in der Hohen Tatra und anderen Bereichen der Karpaten dringen vermehrt Wölfe in Richtung Westen vor. Ein Nachlassen der Verfolgung hat dazu geführt, daß aus intakten Rudeln abwandernde Einzelwölfe nicht wie früher außerhalb der Wolfgebiete sofort abgeschossen werden, sondern langsam die vor Jahrzehnten und Jahrhunderten verlorenen Lebensräume wieder besiedeln.

Zur Zeit verlaufen Verhandlungen mit Bayern mit dem Ziel, den Nationalpark Böhmerwald ohne Rücksicht auf den Verlauf der Staatsgrenze ausrufen zu können. Die spezifischen Merkmale des Böhmerwaldes und des Bayrischen Waldes unterscheiden sich jedoch im Bereich der Vegetation, in der Geschichte der Besiedlung, in der Vorstellung über die wirtschaftliche Nutzung und die Bautätigkeit. Diese Abweichungen würden auch bei der eventuellen Ausrufung des internationalen Parks weiterbestehen.

In diesem Gebiet entspringen die für uns Kanuten interessanten Bäche wie Otava und Vltava (Moldau). Die Otava entsteht durch den Zusammenfluß von den kristallklaren Gebirgsbächen Vydra und Kremelna, deren Quellgebiete weiter oben in den Hochmooren liegen. Früher wurde an der Otava Gold gewaschen. Noch heute zeugen lange künstliche Sandhügelreihen entlang der Flußufer von der Goldwäscherei.

Vor unserer Kanufahrt machen wir einige ausgiebige Wanderungen im Hochplateau des Böhmerwaldes, in den Moorgebieten wo Otava und Vlatava ihren Ursprung haben. Ein besonderer Leckerbissen ist die Wanderung entlang der Vydra, die bei ausreichendem Wasserstand auf der Teilstrecke Antygl – Bystrina durchweg Wildwasser IV mit vielen Ver Stellen hat. Eine Befahrung ist jedoch aus Naturschutzgründen nur unter sehr strengen Auflagen gestattet.

Bei gutem Wasserstand, es hat die vergangene Nacht geregnet, fahren wir die Otava von Bystrina bis Susice. Wir setzen kurz hinter einem stark verblocktem Wehr ein. Das Wasser ist moorig braun und es geht mit rasanter Strömung über viele Felsblöcke. Herrliches Wildwasser, nie schwieriger als WW III, läßt keine Langeweile aufkommen. In Rejstejn lassen die Schwierigkeiten etwas nach und wir treffen jetzt häufig Tschechen mit ihren 2er Tourencanadiern. Das Wehr bei Radesov ist ohne Probleme zu befahren und wir erreichen bald unseren schönen Campingplatz in Annin. Ab hier kann man getrost eine Gepäckfahrt machen, wenn man sein Boot nicht zu sehr belädt. Auf der Strecke bis Susice ist nur noch Wildwasser der Schwierigkeit I zu befahren. Lediglich die zwar ungefährliche, aber mit einer Walze im Auslauf versehene Floßgasse in Susice sollte man nicht unterschätzen. Vor allem offene Boote mit Gepäck kommen hier kaum ohne Kenterung durch. Ab Susice tritt die Otava aus ihrem schmalen Waldtal aus, hat aber immer noch einiges zu bieten, zwar kein Wildwasser mehr, aber gute Strömung in einer abwechslungsreichen Landschaft. Der ideale Fluß für Gepäckfahrten.

Herbstfahrt an die Otava

Im Herbst zieht es die Freien Kanu-Sportler in die Ferne zu neuen Abenteuern. Wie schon im vergangenen Jahr, geht es wieder in den Böhmerwald. Die Otava mit ihren vielen Stromschnellen ist unser Ziel. Es kann zwar in dieser Zeit schon recht kalt werden, aber dafür werden wir mit herrlichen Herbststimmungsbildern mehr als genug entschädigt. In Punkto Übernachtung haben wir vorgesorgt. Wir wohnen in einem Haus in Rejstejn und haben dort eine ganze Etage für uns allein. Einige von uns hatten schon in den Sommerferien mit diesem schönen Fluß und der herrlichen Gegend Bekanntschaft geschlossen. (Wir berichteten darüber). Von diesen Erfahrungen konnten jetzt alle  profitieren.

An unserem Anreisetag regnet es. Am Grenzübergang, wir sind immerhin über 1000 m NN, schneit es sogar. Die Straßen sind aber frei. Wir kommen mit unserem Bootsanhänger gut durch.

An unserem ersten Tag durchwandern wir die Vydraschlucht mit ihren vielen Felsen und Stromschnellen, ein beeindruckendes Flußbett mit großen Steinblöcken und Kaskaden. Weil die Vydra durch ein Torfmoor fließt, ist ihr Wasser braungefärbt. Der Granit ist hier hell, stellenweise in verschiedenen Felsformationen verwittert. Im unteren Teil des Tales tritt Gneis heraus. Das Vydra-Flußgebiet ist verhältnismäßig jung (Tertiär- Quartär). Im Vydra-Gebiet leben der Fischotter, der Flußeisvogel und jetzt auch der hier ausgesetzte Luchs.

Unseren Wildwasserfahrern kribbelt es schon in den „Paddelfingern“, denn der Wasserstand ist durch die vergangenen Schneefälle stark angestiegen. Eine Befahrung scheint möglich, obwohl einige Abfälle nur durch mühseliges Umtragen zu bewältigen sind. Die gesamte Strecke ist durchgängig WW IV und schwieriger.

Am Ende der Vydra teilt sich unsere Gruppe auf. Unsere Wildwasserexperten wollen natürlich paddeln. Der Rest wandert weiter durch das Tal der Otava nach Rejstejn (Unterreichenstein).

Rejstejn liegt ca 15 km südlich von Susice, im Tal der Otava an der Mündung der Losenice. Den Anstoß für die Gründung von Rejstejn gab die Goldwäscherei. In der Umgebung wurde ebenfalls Gold in Gruben gefördert. 1584 wurde Rejstejn zur Stadt erhoben. Im 17. Jahrhundert wurden die verfallenden Gruben durch Glaserzeugung ersetzt. 1836 wurde in Rejstejn eine Glashütte errichtet (Klostermühle). Von 1878 bis 1908 war sie in Österreich-Ungarn die bedeutendste Glashütte für die Produktion von farbigem Glas. Heute ist Rejstejn ein kleiner verträumter Ort mit einer urigen Dorfbevölkerung und einem schönen Ferienlager, vorzüglich geeignet als Ausgangspunkt für Wanderungen per Pedes oder Boot.

Zum „Einfahren“ beschließen unsere Wildwasserfahrer, erst einmal die normale Wildwasserstrecke auf der Otava zu befahren. Die Strecke Cenkova Pila bis Rejstejn ist bei diesem Wasserstand teilweise WW III. Total ausgekühlt kommen unsere „Experten“ nach knapp einer Stunde in Rejstejn an und verspüren keine Lust mehr, die noch kältere Vydra zu befahren.

Nach diesem sportlichen Auftakt unserer Fahrt, beschließen wir am folgenden Tag uns etwas in dem mittelalterlichem Städtchen Cesky Krumlov umzusehen.

Cesky Krumlov (Krumau), heute eine Kreisstadt, wurde 1274 gegründet. Schon ein halbes Jahrhundert davor wurde auf dem Felsen über der Moldau eine Burg gebaut, die vor allem durch die späteren Besitzer, die Rozmberks, bekannt wurde. Seit dem 14. Jahrhundert wurde die Stadt zum Zentrum der Herrschaft dieser Dynastie. Hier blühte der Handel und das Handwerk. In den Jahren 1394 und 1402 hielten die Rozmberks sogar den König gefangen. Die großzügig angelegte Burg mit drei Höfen und fast dreihundert Zimmern gehört zu den schönsten in Böhmen. Sie ist die zweitgrößte nach der Prager Burg. Die Stadt wird von Fachleuten den bedeutesten urbanen Denkmälern in Europa zugeordnet. Sie ist ein städtisches Denkmalreservat unter dem Schutz der UNESCO.

Vollbepackt mit Reiseandenken und Geschenken für die Daheimgebliebenen, sowie einigen neuen Booten, geht es abends wieder in Richtung Rejstejn.

Der nächste Tag ist wieder fürs Paddeln reserviert. Vor allem unsere WW-Fahrer sind schon sehr auf die Vydra gespannt, sowie die Jüngsten unter uns auf ihre neu erworbenen Boote. Leider werden die ersteren enttäuscht, denn der Wasserstand ist so stark gefallen daß eine Befahrung der Vydra nicht mehr möglich ist. Wir fahren daher die altbekannte Strecke auf der Otava, die „Spezialisten“ von oben und die „Anfänger“ von weiter unten, dort wo die Schwierigkeiten nachlassen. Außer einigen Kratzern an den Booten kommen wir alle gut durch.

Am späten Nachmittag gehen wir noch im ca. 15 km entfernten Susice gut essen und laufen danach durch den Wald wieder zurück nach Hause. Die letzte Strecke legen wir im Dunkelen zurück, doch wir kommen alle wohlbehalten an.

Am Abend sitzen wir noch lange in der Dorfkneipe von Rejstejn und lauschen bei einem guten Bier den tschechischen Gitarrensongs. Ganz ungezuwungen geht es dabei zu, zwei Dorfmusikanten haben ihre Gitarren mitgebracht und „schmettern“ ihre Lieder, wobei die ganze Kneipe kräftig mitsingt, die einen in tschechisch, wir in deutsch.

Am nächsten Morgen ist das Aufstehen etwas schwierig, zu lange war der gestrige Abend. Wir wollen heute wieder auf die Otava, dieses Mal von Susice nach Horazdovice. Das Wetter wird schön, sogar die Sonne kommt etwas durch. Leider ist der Wasserstand weiterhin merklich gefallen, so daß wir öfter auf den seichten Kiesbankschnellen auf Grund laufen. Die Canadierfahrer müssen sogar aussteigen und ihr Boot über die allzu trockenen Steine zerren. Ein Wehr mit Floßgasse wird mit Bravour befahren. Nur Mario, unser Wildwasserexperte, traut sich nicht, denn er hat seine Spritzdecke vergessen und das Wasser ist ihm viel zu kalt. Mit einigen Kratzern an den Booten erreichen wir Horazdovice. Da es noch nicht so spät ist, wollen wir noch die Burgruine Rabi besichtigen. Leider ist die Burg wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.

Die Burg ragt, blickt man von der Otava hinauf, mächtig empor, auf dem Gipfel eines felsigen Kammes aus kristallinem Kalkstein. Vom Marktpatz aus ist die Burg kaum sichtbar. Sie gehörte zu den größten, mächtigsten und bestbefestigten böhmischen Burgen (Fläche mehr als 1 ha). Gegründet wurde die Burg zu Beginn des 14. Jahrh., spätgotischer Umbau mit Erweiterung Ende des 15. Jahrhundert, ausgebrannt 1720, dann verödet, zur Ruine verfallen. In dem letzten Jahrzehnt Instandsetzung der Burg und schrittweise Öffnung für die Öffentlichkeit.

Eine sternklare kalte Nacht verheißt uns schönes Wetter für den kommenden Tag. Der Morgennebel hat sich schon gegen 10:00 Uhr verzogen und die Sonne scheint. Hervorragendes Wanderwetter. Wir machen eine schöne Wanderung im Gebiet um Modrava.

Modrava oder nach einer älteren Schreibweise Modrá (Mader) entstand 1737 als eine Fischersiedlung. Der Standort war für diesen Zweck gut gewählt, denn es laufen hier 3 Bäche zusammen: Hanifbach, Maderbach auch Lusener genannt und Großer Müllerbach. Durch den Zusammenfluß aller 3 Bäche entsteht in Modrava die Vydra. Das Wasser aller Bäche war einst an Fisch, vor allem Forellen und Lachsen, reich. Zum Flößen von Holz aus dem Maderer Revier trug ein System von einigen Wasserbecken an allen 3 Bächen bei. Zum letzten Mal wurde hier 1958 geflößt. Im Jahre 1826 wurde am Rachelbach ein Sägewerk für Resonanzholz gegründet. Zum Heraussuchen des Resonanzholzes gab es in jedem Sägewerk Spezialisten, die im Wald durch Klopfen in bestimmter Höhe des Baumes festellen konnten, ob das Holz geeignet ist. Die Bäume wurden vor allem im Winter gefällt, das Holz wurde gespalten und mit Schlitten und durch Flößen zum Sägewerk gebracht. Im Frühjahr wurde es dann weiterverarbeitet, hauptsächlich für Saiteninstrumente und Klaviere. Das aufbereitete Holz wurde nach ganz Europa und bis nach Amerika exportiert. 1870 mußte die Produktion eingestellt werden, da die Vorräte durch Borkenkäferbefall vernichtet wurden. Das Sägewerk ist heute schön hergerichtet und dient als Erholungszentrum.

Mit einigen Blasen an den Füßen erreichen wir nach 20 km Fußmarsch unsere Fahrzeuge. Nach einigen gemütlichen Stunden in der Dorfkneipe bei Musik und Tanz, „fallen“ wir spät abends in die Betten.

Am kommenden Tag heißt es Abschied nehmen, viel zu schnell ist diese Woche vorübergegangen. Wir verabschieden uns bei unseren neuen Freunden und sind nach einer langen Autofahrt schon wieder abends zu Hause in Deutschland.

Eines ist gewiß, die Otava sieht uns bald wieder.

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